Im Herzen der Stadt: Zum Schwarzen Kameel

Das über 400 Jahre alte Lokal am Fuße des Grabens ist eine Institution, die sich immer wieder neu erfindet.

09.07.2025 13:59
Redaktion
© Peter Rigaud
Zum Schwarzen Kameel im Goldenen Quartier

Wer in Wien wissen will, was Stil, Geschmack und Gesellschaft bedeuten, braucht keine Einladung – nur ein bisschen Geduld. Denn vor dem Schwarzen Kameel in der Bognergasse wartet man gern. Auf einen Tisch. Auf ein Brötchen. Auf einen Blickkontakt. Hier wird nicht einfach gespeist, hier wird beobachtet, geflüstert, gelächelt, manchmal auch kokettiert – und das nicht erst seit gestern.

Ein Lokal mit Geschichte

1618 wurde das Haus erstmals erwähnt, damals noch als Gewürzkrämerei. Heute, vier Jahrhunderte später, ist das Schwarze Kameel eine Institution, die sich selbst immer wieder neu erfindet. Und das mit einer Grandezza, die ihresgleichen sucht. Wo früher der junge Beethoven tafelte und Waldmüller skizzierte, trifft man heute auf prominente Medienleute, Wirtschaftsbosse, Schauspielerinnen und alte Wiener Familien. Jeans neben Maßanzug, Cartier neben Casio. Jeder tarnt sich auf seine Weise.

Mehr Kameel geht nicht

Seit der jüngsten Erweiterung ist das Erdgeschoß nicht mehr nur Bar, sondern auch Café, Bistro und kulinarisches Wohnzimmer. Quirlig wie eh und je – mit gutem Grund: Nirgendwo sonst schmeckt der handgeschnittene Beinschinken so wienerisch, das Beef Tatar so französisch und der Espresso so sehr nach Schwarzem Kameel. Frühstück, Brötchen, Lunch, Achterl, Mitternachtshappen – wer das Kameel betritt, tritt in einen Tageslauf ein, der keinen Zeitplan kennt, nur Stimmungslagen.

Beletage mit Stil

Wer Platz nimmt in der neu gestalteten Beletage – erreichbar über Stiegen oder Lift –, landet im Jugendstil-Paradies. Goldene Weinranken, originale Lobmeyr-Luster, Petrolsamt und zeitloser Charme: Der Raum wurde behutsam revitalisiert und bietet mit 80 Sitzplätzen sowie einem Kaminzimmer ein elegantes Kontrastprogramm zum Gewusel unten. Hier zelebriert Küchenchef Werner Pichlmaier seine geradlinige, moderne Wiener Küche: Sellerie-Pastrami, Milchkalb mit Kalbskopf, heimisches Reh mit Holler und Curry. Tradition trifft Nuance – ohne Schnickschnack, aber mit weißer Stoffserviette.

Zum Schwarzen Kameel Beletage | © Herbert Lehmann

Atmosphäre, die man nicht kaufen kann

Doch bei allem Reichtum an Speisen, Dekor und Geschichte – das wahre Kapital des Schwarzen Kameels ist sein Publikum. Man kennt einander. Man grüßt sich. Man wird gesehen. Und selbst wenn man allein kommt, ist man es nicht lange. Nicht selten trifft man Gleichgesinnte – oder solche mit gleichen Absichten im Sinn. Vielleicht liegt genau darin das Geheimnis dieser Wiener Legende: Dass sie sich immer offen zeigt, aber nie anbiedert. Dass sie weiß, was sie ist, ohne es je erklären zu müssen.

Tipp zum Dabeisein

Und sollte es einmal wirklich keinen Platz geben – was nicht selten passiert –, hilft ein kleiner Trick: Setzen Sie sich einfach in den Gastgarten der Konditorei Aida oder gleich daneben zur Bäckerei Mann. Viele merken den Unterschied erst bei der Rechnung.

Infos:
Zum Schwarzen Kameel, Bognergasse 5, 1010 Wien
Restaurant Beletage: Di–Sa, 12–14.30 Uhr & 17.30–24 Uhr | www.kameel.at

(red)

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