Rollstuhlfahrer klagt Restaurant Amador und gewinnt
Weil der Zugang zur Toilette nicht selbstständig möglich war, landete ein geplatzter Restaurantbesuch vor Gericht.

Barrierefrei – aber nicht ganz. Was nützt ein behindertengerecht ausgestattetes WC, wenn der Zugang für Rollstuhlfahrer ohne fremde Hilfe nicht möglich ist? Die Antwort: rein gar nichts. Auf genau diesen Umstand wollte der Rollstuhlnutzer Hans-Jürgen Groß aufmerksam machen – mit einer Klage, die nun mit einem Urteil endete.
Diskriminierung ohne Zutritt
Der Präsident des Behindertenverbands ÖZIV-Burgenland hatte gemeinsam mit seiner Frau ein besonderes Abendessen geplant – im Gourmetrestaurant Amador in Wien Grinzing. Bereits Wochen im Voraus hatte er telefonisch reserviert und dabei auf seine Mobilitätseinschränkung hingewiesen. Im Gespräch stellte sich heraus: Der Zugang zum WC führte über drei Stufen, eine Rampe oder Haltegriffe waren nicht vorhanden. Das Angebot, ihm beim Gang zur Toilette behilflich zu sein, lehnte Groß ab – er wünschte sich eine selbstständig nutzbare Lösung. Eine entsprechende bauliche Anpassung erfolgte jedoch nicht.
Nach mehreren erfolglosen Gesprächen sagte das Paar den Besuch ab und brachte den Fall gemeinsam mit dem Klagsverband vor Gericht. Das Ergebnis: 1.700 Euro Schadenersatz – 1.000 Euro für Groß, 700 Euro für seine Frau. Beide seien in ihrer gleichwertigen gesellschaftlichen Teilhabe diskriminiert worden, urteilte das Bezirksgericht Leopoldstadt. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bestätigte das Urteil. Eine Revision wurde ausgeschlossen – das Urteil ist rechtskräftig.
Gericht sieht Benachteiligung
Die Entscheidung: Der Toilettengang mit Hilfe Dritter sei für den Kläger nicht zumutbar – insbesondere nicht bei einem Anlass wie dem geplanten Jahrestag. Auch die Ehefrau sei als nahestehende Person in ihrer Teilhabe eingeschränkt worden. Bemerkenswert ist: Die Ausstattung des WCs selbst war nicht Gegenstand der Klage – entscheidend war allein der nicht barrierefreie Zugang dorthin.
Das betroffene Restaurant äußerte sich schriftlich: Man nehme die Bedürfnisse aller Gäste ernst, teile jedoch die Position der Kläger nicht. Eine Rampe sei kurz nach der ersten Beschwerde installiert worden, ein Umbau der Toilettenräume sei nicht notwendig gewesen – diese seien bereits rollstuhlgerecht.
Was verlangt das Gesetz?
Laut Behindertengleichstellungsgesetz sind Unternehmen verpflichtet, ihre Leistungen diskriminierungsfrei anzubieten. Dazu gehört auch die bauliche Barrierefreiheit, wenn sie zumutbar realisierbar ist. Die ÖNORM B1600 verlangt durchgehende Zugänglichkeit – auch zu Nebenräumen wie Toiletten. Der Fall zeigt, dass es nicht genügt, Barrierefreiheit nur punktuell zu denken.
„Das Urteil zeigt deutlich, dass Menschen mit Behinderungen einen Anspruch auf gleichwertige Teilhabe haben“, erklärt Theresa Hammer, Geschäftsführerin des Klagsverbands, im Gespräch mit FM. „Es geht nicht um Sonderrechte, sondern um Gleichstellung.“
Knapp vorbei ist auch daneben
Man kann in die Ausstattung eines barrierefreien WCs viel investieren – mit Notruftaste, Edelstahlgriffen und automatischer Türöffnung. Aber wenn der Weg dorthin nicht ohne Hilfe bewältigbar ist, bleibt all das theoretisch. Gerade dieser Fall macht deutlich, dass es nicht genügt, bauliche Maßnahmen punktuell umzusetzen. Wer diese „letzten Meter“ vergisst, riskiert nicht nur Frustration bei Betroffenen, sondern auch rechtliche Konsequenzen. Es könnte jederzeit jemand kommen, der darauf angewiesen ist. Oder, wie in diesem Fall – einfach vorher anrufen.
Ein Fall mit Wirkung
Das Urteil ist richtungsweisend – und wird als solches von Behindertenorganisationen begrüßt. Es zeigt, dass Gleichstellung keine freiwillige Geste ist, sondern eine einklagbare Verpflichtung. Gleichzeitig bleibt der Eindruck, dass die Klage für die öffentliche Debatte mitgedacht wurde.
Das betroffene Lokal habe – soweit nachvollziehbar – auf Augenhöhe kommuniziert und früh reagiert. Dass die rechtliche Klärung dennoch nötig war, ist aus Sicht des Klägers verständlich. Ob das gewählte Mittel der öffentlichen Konfrontation in diesem Fall angemessen war, mag man unterschiedlich bewerten. Es ändert nichts an der Richtigkeit des Urteils – aber erlaubt die leise Frage, ob in dieser Geschichte nicht auch ein wenig mehr Verständnis für beide Seiten Platz gehabt hätte.
Hilfe bei Diskriminierung
Der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern unterstützt Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung, Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Er bietet rechtliche Beratung, hilft bei der Klagsführung und informiert über Gleichstellungsrechte.
Infos unter: www.klagsverband.at
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