Hotellerie macht gegen Booking.com mobil
Immer mehr Hotels stellen sich gegen die Marktmacht von Booking.com und ziehen gemeinsam vor Gericht.

Wer heute ein Hotelzimmer sucht, klickt nur selten zuerst auf die Website des Hauses selbst. Stattdessen tippt er „Ort + Datum“ ins Suchfeld – und landet fast unweigerlich bei Booking.com. Die Plattform präsentiert eine riesige Auswahl: vom kleinen Stadthotel bis zum Luxushideaway am Meer, versehen mit unzähligen Fotos, Bewertungen und einem unkomplizierten Buchungsvorgang. Für viele Reisende ist das der bequemste Weg zum Zimmer – ein paar Klicks, Kreditkartendaten eingeben, fertig.
Dieses simple Rezept machte Booking.com zu einem der mächtigsten Player der Tourismusbranche. Die Plattform agiert als Türsteher zum Gast – und diese Tür ist für Millionen Reisende längst zum Haupteingang geworden. Für Hotels bedeutet das: Wer nicht bei Booking.com gelistet ist, verzichtet auf Sichtbarkeit und Reichweite. Gerade kleine und mittelgroße Betriebe, die nicht das Marketingbudget internationaler Hotelketten haben, sind deshalb fast gezwungen, den Weg über die Plattform zu gehen.
Doch der Preis für diese Reichweite ist hoch – und das nicht nur im übertragenen Sinn. Über Jahre hat sich bei Hoteliers und Gastronomen Ärger angestaut: über Vertragsklauseln, die die Preisgestaltung einschränkten, über Provisionen, die tief ins operative Ergebnis schnitten, und über eine Marktmacht, die kaum zu umgehen war. Der aktuelle Aufschrei und die Welle an Klagen gegen Booking.com sind das Resultat dieses schwelenden Konflikts.
Wem Booking.com gehört
Booking.com ist eine niederländische Gesellschaft mit Sitz in Amsterdam, vollständig im Besitz der US-amerikanischen Booking Holdings Inc. (Norwalk, Connecticut). Zum Portfolio zählen unter anderem Agoda, KAYAK, Rentalcars.com und OpenTable. Mit einem Jahresumsatz von rund 23,7 Mrd. USD (2024) und einem Marktanteil von etwa 75–76 % in Österreich gilt Booking.com als dominierender Online-Reiseanbieter.
Was „im Extremfall“ gefordert wird
Kern des Streits sind die sogenannten Bestpreisklauseln. Diese verpflichteten Hotels über Jahre, auf Booking.com keine höheren Preise als auf der eigenen Website auszuweisen. Wer dagegen verstieß, riskierte schlechtere Platzierungen oder gar den Verlust der Sichtbarkeit.
Dazu kommen Provisionen zwischen 12 % und 20 %, ergänzt durch Gebühren für Zahlungsabwicklung. Das Ergebnis: Von einer 100‑Euro-Buchung blieben manchen Betrieben nur 83 bis 87 Euro. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte diese Preisbindung 2024 für kartellrechtswidrig.
Österreichische Positionen
Die Österreichische Hotelvereinigung (ÖHV) und der Fachverband Hotellerie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) rufen österreichische Betriebe aktiv dazu auf, sich der Sammelklage anzuschließen. ÖHV-Präsident Walter Veit spricht von einem massiven Eingriff in die unternehmerische Freiheit und verweist darauf, dass bereits mehrere Hundert heimische Hotels beteiligt sind. Die Wirtschaftskammer betont die Chance, ohne eigenes Prozesskostenrisiko Ansprüche geltend zu machen – finanziert durch einen Prozessfinanzierer, der nur im Erfolgsfall honoriert wird.
Teilnahme an der Sammelklage
- Frist: Anmeldung bis 29. August 2025
- Ablauf: Online-Registrierung mit Vertrags- und Umsatzunterlagen
- Kosten: Keine – Finanzierung über externen Prozessfinanzierer
- Koordination: In Österreich über WKÖ und ÖHV, europaweit über die Hotel Claims Alliance in Zusammenarbeit mit HOTREC
- Online-Plattform: www.mybookingclaim.com
Die Klage ist Teil einer koordinierten europäischen Aktion. Hotels aus über 25 EU‑Ländern beteiligen sich. Ziel ist es, für den Zeitraum 2004 bis 2024 Schadenersatz zu erstreiten und unfaire Vertragsbedingungen endgültig aus der Branche zu verbannen.
Sammelklage von Hotelliers
Booking.com ist zum unverzichtbaren Werkzeug für Gäste geworden – aber auch zum Fesselballon für viele Betriebe. Der Komfort für Reisende darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie sehr diese Plattform die Preisgestaltung diktiert und Existenzen unter Druck setzen kann. Wer in Österreich betroffen ist, sollte die Gelegenheit nutzen, seine Stimme zu erheben.
(red)