Die Trinkgeldreform macht Sommerpause

Nach den hitzig geführten Debatten blieben Entscheidungen aus, aber die Positionen wurden bezogen.

15.07.2025 10:43
Redaktion
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Servicekräfte fürchten um ihr Trinkgeld.

Anfang Juli klang es, als müsse beim Thema Trinkgeld rasch eine Einigung gelingen. Die Sozialpartner – Wirtschaftskammer und Gewerkschaft – signalisierten Übereinstimmung, zumindest im Grundsatz. Im Raum standen Begriffe wie Pauschale, Rechtssicherheit und soziale Absicherung. Auch die Bundesregierung zeigte sich offen, die Neos zurückhaltend. Was fehlt, ist ein Gesetzesentwurf.

Und so ging das Parlament in die Sommerpause – mit neuen Gesprächspositionen, aber ohne Beschlusslage. Wer derartige Prozesse mitverfolgt, kennt die Dynamik. Es braucht Zeit, wenn Gewerkschaftspositionen, Kammern, Regierung und Expertenmeinungen aufeinanderstoßen. Ein sozialpartnerschaftliches Abtasten, bei dem es gerne auch mal ruppiger im Ton werden darf.

Eine Lösung in Etappen

Die Diskussion über das Trinkgeld ist nicht neu, wohl aber die Rahmenbedingungen. Seit elektronische Zahlungen zunehmen, erscheint Trinkgeld immer öfter auf der Registrierkasse – und damit eindeutig verbucht. Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) hat Nachforderungen gestellt, das Bundesfinanzgericht hat Urteile gefällt, und Betriebe berichten von wachsender Unsicherheit bei Prüfungen.

Die Gewerkschaft argumentiert: Wer Trinkgeld bekommt, soll davon profitieren – auch im Pensionskonto. Die Wirtschaftskammer hält dagegen: Trinkgeld ist freiwillig und soll es bleiben. Zwischen diesen Polen bewegt sich die Idee einer Pauschale, über deren Höhe und Wirkung man noch diskutiert.

Saisonarbeit und Systemlogik

Ein erheblicher Teil der Beschäftigten in Hotellerie und Gastronomie ist nicht dauerhaft im Land: Saisonarbeitskräfte aus Nachbarländern und Südosteuropa prägen das Bild in Tourismushochburgen. Sie arbeiten legal, oft mit befristeten Verträgen, viele von ihnen in Betrieben mit digitalem Kassensystem – Trinkgeld inklusive.

Wenn nun pauschale Beiträge auf diese Trinkgelder anfallen, stellt sich eine einfache Frage: Wer erhält welchen Anteil? Denn Pensions- oder Arbeitslosenansprüche entstehen nur dann in vollem Umfang, wenn eine gewisse Versicherungsdauer im österreichischen System erreicht wird – oder ein funktionierendes Sozialversicherungsabkommen mit dem Herkunftsland besteht. Beides ist nicht in allen Fällen gegeben.

Wer also zwei bis drei Jahre in Österreich arbeitet und dann nicht mehr zurückkehrt, zahlt möglicherweise Beiträge auf Trinkgeld, die keine individuelle Wirkung entfalten. Sie gehen in den allgemeinen Versicherungstopf, was aus staatlicher Sicht legitim ist, für den Einzelnen aber keine sichtbare Leistung erzeugt.

Auch aus betrieblicher Perspektive stellt sich die Frage nach dem Aufwand: Arbeitgeber müssten künftig Beiträge auf Einnahmen abführen, die sie selbst weder kontrollieren noch steuern können. Bei elektronischem Trinkgeld ist die Nachvollziehbarkeit gegeben, bei gemischten Systemen mit Baranteil weniger. Im Fall von Missverständnissen oder falschen Angaben könnten Konflikte zwischen Dienstgeber und Mitarbeiter entstehen – wer hat was bekommen, wer hat was abgeliefert, wer hat was gemeldet?

Einige größere Betriebe sehen dennoch pragmatische Vorteile: Planbarkeit statt Einzelfallbewertung, klare Pauschale statt rückwirkender Prüfung. Das System könnte funktionieren – vorausgesetzt, es bleibt einfach.

Ein Sommer des Abwartens

Doch bevor sich das alles klärt, ist erst mal Sommer. Die Regierung hat sich in die Pause verabschiedet, der Nationalrat tagt wieder Ende September. Ein Gesetzestext liegt nicht vor, die grundsätzliche Einigung der Sozialpartner bleibt vorerst ein politisches Signal.

Die Positionen sind bezogen: Die Gewerkschaft will soziale Absicherung, die Wirtschaftskammer verlangt einfache Umsetzung und Rechtssicherheit, die NEOS pochen auf transparente Zahlen. Die ÖGK bleibt bei ihrem Vorschlag einer Pauschale – zwischenzeitlich war von 100 Euro die Rede, zuletzt eher von einem niedrigeren Betrag.

Im Herbst wird weiterverhandelt. Dass sich die Sommersaison nicht für Debatten eignet, ist allen Beteiligten klar. Ob eine Lösung kommt, hängt nicht nur vom Inhalt ab – sondern auch von der Kompromissbereitschaft. Eine kleine Reform hätte wohl Chancen, ein komplexes Modell hingegen wird auf Widerstand stoßen – nicht nur bei Interessenvertretern, sondern auch bei direkt Betroffenen.

(red)

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