Letzte Runde: Trinkgeld am Verhandlungstisch
Die Sozialpartner haben sich offenbar geeinigt – doch was beschlossen werden soll, bleibt noch im Dunkeln.

Eine Einigung liegt am Tisch – aber niemand weiß, was drinsteht. So lässt sich die aktuelle Lage rund um die Neuregelung beim Trinkgeld zusammenfassen. Wirtschaftskammer und Gewerkschaft signalisieren laut Ö1-“Morgenjournal” Einvernehmen, die türkis-rot-pinke Koalition könnte die Reform sogar noch diese Woche im Nationalrat behandeln. Doch der Öffentlichkeit wird bislang kein einziges Detail genannt.
Das sorgt für Verunsicherung. Denn das Trinkgeld ist für tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gastronomie, Hotellerie und Dienstleistungsberufen kein Trinkgeld im klassischen Sinn – sondern ein fixer Bestandteil ihres Einkommens. Und jede neue Regelung, die nicht für klare Entlastung sorgt, könnte das Lohnniveau weiter senken..
Was könnte die Besteuerung bringen?
Die Gewerkschaft argumentiert, dass nur versteuertes Trinkgeld auch pensionswirksam sei. Das stimmt grundsätzlich – aber wie viel macht das dann tatsächlich aus?
Szenario 1: Die Vielverdienerin
Eine erfahrene Kellnerin in einem gut besuchten Innenstadtlokal kommt im Schnitt auf rund 800 Euro Trinkgeld pro Monat – überwiegend über Kartenzahlung, also vollständig nachvollziehbar. Zieht man einen Freibetrag von 100 Euro ab und besteuert den Rest, würden sich über 20 Jahre hinweg rund 38.000 Euro an Pensionsbeiträgen ansammeln. Die Folge: eine monatlich um etwa 210 Euro höhere Bruttopension im Alter. Nicht irrelevant – aber ohne Vorhersehbarkeit, wie hoch die tatsächliche Pensionssteigerung im Einzelfall wirklich ausfällt.
Szenario 2: Der Nebenjobber
Ein Zahlkellner in einem kleinen Lokal, der abends oder am Wochenende aushilft, kommt im Schnitt auf vielleicht 150 bis 200 Euro Trinkgeld im Monat – vieles davon bar. Nach Abzug des Freibetrags (sofern eine Pauschale überhaupt vereinbart wird) bleibt kaum etwas übrig, das besteuert werden könnte. Die zusätzliche Pensionsgutschrift läge im besten Fall bei wenigen Euro im Monat – zu wenig, um spürbar zu sein, aber genug, um bürokratische Belastung zu erzeugen.
Karten-Trinkgeld als Stolperfalle
Die aktuelle Debatte wurde durch bargeldloses Bezahlen entfacht: Mit der zunehmenden Kartenzahlung taucht Trinkgeld digital auf – und wird sichtbar für Sozialversicherung und Finanz. Die Folge: hohe Nachzahlungen, geänderte Prüfpraxis, Verunsicherung bei Betrieben und Mitarbeitern. Wer nun eine „einheitliche Pauschale“ in Aussicht stellt, muss eines garantieren: dass keine neuen Belastungen eingeführt werden.
Denn genau davor warnt die Branche seit Monaten. Schon heute kassiert die ÖGK rückwirkend ab – bei Betrieben, aber auch bei Beschäftigten, denen plötzlich ein Teil ihres Trinkgelds als beitragspflichtig angerechnet wird. Und gleichzeitig heißt es, es gebe keine verschärften Kontrollen?
Lohnersatz oder Zuverdienst?
Trinkgeld ist und bleibt eine freiwillige Zahlung des Gastes. Es soll motivieren, nicht kompensieren. Wer es pauschal besteuert, es in Pensionskonten umrechnet oder mit Abgaben belegt, schmälert Einkommen. Die Forderung vieler Landeshauptleute nach einer völligen Steuer- und Abgabenfreiheit befürworten deshalb viele – auch wenn sie fiskalisch unbequem ist.
Eine „bundesweit einheitliche Pauschale“ klingt pragmatisch, kann aber leicht zum falschen Signal werden: Ein Betrag, der zu niedrig ist, hilft niemandem. Einer, der über dem tatsächlich Geleisteten liegt, wird zum Kostenfaktor – spätestens beim Steuerausgleich.
Transparenz ist gefragt
Was die Beschäftigten und Betriebe jetzt brauchen, ist Klarheit. Kein Herumlavieren. Servicekräfte, die auf ihr Trinkgeld angewiesen sind, wollen wissen, was auf sie zukommt. Unternehmerinnen und Unternehmer fordern verlässliche Regeln, mit denen sie planen können – keine pauschalen Ankündigungen, deren Inhalt niemand kennt. Wer im Gastgewerbe arbeitet, weiß: Trinkgeld ist mehr als ein netter Bonus – es entscheidet oft darüber, ob die Miete bezahlt werden kann oder nicht. Und genau deshalb verlangen viele jetzt eines: Transparenz. Und zwar bevor etwas beschlossen wird – nicht erst danach.
(red)