Agrarpolitik made in Europe
Freihandelsabkommen, Pestizidverordnung, Herkunftskennzeichnung: Die Liste ist lang, die Wut der europäischen Bauern auf die Agrarpolitik „made in Brüssel“ ebenso. Im Gespräch mit Werner Magoschitz, einem der größten Spargelbauern Österreichs und Obmann des Vereins Marchfelder Spargel, werden die Hintergründe des bäuerlichen Grants beleuchtet.
FM: Betrachten wir die seit Anfang des Jahres anhaltenden Proteste der Bauern in Europa. Sind angezündete Heuballen, blockierte Straßen, brennende Reifen und tonnenweise Mist im Gepäck die richtige Form von politischer Mitgestaltung?
Werner Magoschitz: In den einzelnen europäischen Ländern wurden die Proteste unterschiedlich gehandhabt. In Frankreich war es etwas extremer. Mein Stil ist es nicht, die Gülle herumzuführen und in Straßen abzulagern. In Deutschland hat es sich sehr geordnet abgespielt. Politisch hat man sich dort auch nicht in die rechte Ecke drängen lassen, was ich gut fand. Generell kann man festhalten, dass es innerhalb der europäischen Bauernschaft gärt aufgrund diverser Vorgaben, die so nicht mehr hinzunehmen sind. Wir sind die Lebensmittelversorger der Menschen, aber dargestellt werden wir als Verschmutzer des Grundwassers mit Düngemittel. Der Lebensmitteleinzelhandel gibt uns die Preise vor und gleichzeitig sind wir vom Lohnniveau am unteren Ende, weswegen wir kaum noch Personal finden.
FM: Die europäische Landwirtschaft wird jährlich von der EU mit Milliarden gefördert.
Magoschitz: Das klingt natürlich gut. Aber eigentlich ist der Förderungsweg falsch. Von außen sieht es so aus, als ob wir mit Geld überschüttet werden. Tatsache ist, dass wir die Produktionsstandards von heute zu Preisen aus den 70ern nicht erfüllen können. Getreide kann heute, ohne Förderungen, nicht mehr kostendeckend angebaut werden. Früher hat ein 60-Hektar-Betrieb das Auslangen gefunden, heute kann man unter 150 Hektar nicht mehr profitabel sein. Das Marchfeld war einmal die Kornkammer Österreichs, heute ist es die Gemüsekammer. Bauern müssen auf Kulturen umsteigen, bei denen sie mehr Geld verdienen, selbst wenn sie mehr Ressourcen dafür verbrauchen.
FM: Wie geht es Ihnen mit dem Schlagwort Freihandelsabkommen?
Magoschitz: Der Freihandel ist problematisch, wenn die Standards in den einzelnen Ländern unterschiedlich sind und diese bei den Importen nicht eingefordert werden. Die Sozial- und Umweltstandards sind andere, genauso, wie die Lohnniveaus komplett unterschiedlich sind. Es ist für mich vollkommen unverständlich, wie so etwas funktionieren soll. Sogar innerhalb der Europäischen Union gibt es unterschiedliche Standards. Bei der Pute darf ich in Österreich zwei pro Quadratmeter halten, in Deutschland drei und in Polen vier. Und das im selben europäischen Wirtschaftsraum! Von Asien oder Südamerika will ich gar nicht reden.
FM: Was können Sie zum Begriff Pestizidverordnung sagen?
Magoschitz: Wenn man eine Halbierung der Pflanzenschutzmittel fordert, kann ich nur sagen, dass es so einfach nicht gehen wird. Die konventionelle Landwirtschaft benötigt Pflanzenmedizin. Gewisse Kulturen lassen sich mit wenig oder sogar ohne Pflanzenschutzmittel produzieren. Doch wenn ich als Bauer Standards erfüllen muss, wie schön manche Produkte auszusehen haben, komme ich nicht drumherum. Im Übrigen gilt das auch für die biologische Landwirtschaft. Wir wehren uns nicht gegen einen Einsatz. Ganz im Gegenteil: Wir würden gerne darauf verzichten, da es ein Kostenfaktor ist, den sich freiwillig ohnehin keiner antut. Vorwarndienste und Schädlingsfallen werden teilweise schon eingesetzt. Diese stellen vielversprechende Möglichkeiten dar, müssen aber weiterentwickelt und verbessert werden. Es geht um eine ganzheitliche Betrachtung und nicht um kurzfristig gedachte Verordnungen.
FM:Kommen wir zur Herkunftskennzeichnung.
Magoschitz: Die wird politisch schon lange diskutiert und ist aus meiner Sicht ein Vorteil bei korrekter Umsetzung. Ansonsten wird Missbrauch mit ihr betrieben.
FM: Mit welchen Entwicklungen und Herausforderungen wird die österreichische Landwirtschaft in den kommenden Jahren konfrontiert sein?
Magoschitz: Es wird immer neuere Techniken geben. Uns ist erst heuer eine neue Robotertechnik präsentiert worden, die den Spargel automatisiert stechen kann. Serienreif wird das erst in zwei Jahren sein. Zwei Nachteile: Ich verdichte mir durch den regelmäßigen Einsatz den Boden, was ein nachhaltiges Problem darstellt. Und bei Schlechtwetter sind die Roboter nicht einsetzbar. Wenn ich mich nun ausschließlich auf die neue Technologie verlasse, habe bei solchen Fällen nicht genügend Personal als Ersatz zur Verfügung. Die Herausforderung wird also sein, die passende Technologie zu finden sowie das Personal, das die neuen Geräte bedienen und warten kann.
FM: Nehmen wir an, der Landwirtschaftsminister würde Magoschitz heißen, welche Maßnahmen würden Sie so rasch wie möglich umsetzen?
Magoschitz: Das ganze Förderungssystem ist für mich nicht langfristig gedacht. Wir müssen für unsere Produkte die Preise erzielen, die sie kosten und letztendlich auch wert sind. Das ist für mich der wichtigste und schwierigste Punkt, da die Konkurrenz im globalen Wirtschaftsraum immens groß ist. Abseits dessen: Alle reden von Umweltschutz und Klimawandel. Regionalität von Produkten wird damit wieder wichtiger werden unter Beachtung gleicher Standards auf europäischer Ebene. Und ganz generell: Diverse Verordnungen müssen flexibler gestaltet werden, um die landwirtschaftliche Lebensrealität abzubilden.