Kultmarke Bialetti soll gerettet werden
Der Espressokocher-Hersteller ist hoch verschuldet und benötigt Konzepte für den Einsatz in der Gastronomie.

Wer jemals eine kleine silberne Kanne auf den Herd gestellt hat, um diesen einen, kräftigen Espresso zu brühen, der weiß: Bialetti ist mehr als eine Marke. Die achteckige Moka Express ist ein Designobjekt, ein Ritualträger, ein Symbol für italienischen Alltagsluxus. Und dennoch stand das Unternehmen hinter der Kultkanne jahrelang am Abgrund. Nun soll der Traditionshersteller durch einen Eigentümerwechsel gerettet werden – und damit vielleicht auch ein Stück Kaffee-Geschichte, das weit über die Grenzen der heimischen Küche hinausreicht.
Hoffnung für eine Ikone
Die italienische Firma Bialetti, 1933 gegründet und berühmt geworden durch den Espressokocher mit dem kleinen Mann mit dem Schnurrbart, wird von zwei Investoren übernommen: Jakyval, eine luxemburgische Gesellschaft unter Kontrolle der Familie Guerrand Hermès, und der asiatische Investmentfonds Nuo Capital. Die beiden Gruppen planen, den aktuellen Mehrheitsaktionär Francesco Ranzoni abzulösen und das Unternehmen von der Börse zu nehmen. Das Delisting ist Teil einer Strategie, mit der Bialetti entschuldet und neu positioniert werden soll.
Die Zahlen, die zurzeit kursieren, lassen keinen Spielraum für Nostalgie: Ein Marktwert von rund 30 Millionen Euro steht einer Verschuldung von mehr als 120 Millionen gegenüber. Auch steuerliche Rückstände belasten das Unternehmen. Und dennoch: Mit den richtigen Impulsen – so scheint es – soll das Comeback gelingen.
Vom Herd in die Welt
In italienischen Haushalten ist die Moka Express so selbstverständlich wie das Frühstück selbst. Der Name Bialetti steht für generationsübergreifende Kaffeekultur. Doch während sich der Heimgebrauch lange als sichere Bastion erwiesen hat, wurde der Anschluss an moderne Kaffee-Konzepte – etwa in der Gastronomie oder im internationalen Hotelwesen – verschlafen.
Dabei schlummert hier ein kaum ausgeschöpftes Potenzial. Die Renaissance handgebrühter Kaffeekultur, das wachsende Interesse an Slow Coffee, an rituellen Zubereitungsarten und an traditionsreichen Marken öffnet neue Türen – auch für den professionellen Bereich. In hippen Cafés von Mailand bis Brooklyn ist die Bialetti längst wieder Teil des Interieurs, nicht nur als Deko, sondern als Ausdruck von Authentizität.
Für Gastronomen könnte das ein Signal sein: Wenn Bialetti sich nun neu aufstellt, wäre eine stärkere Positionierung in der Gastronomie durchaus denkbar – sei es durch Neuinterpretationen der klassischen Kanne für den halbprofessionellen Einsatz, Kooperationen mit Röstereien oder durch limitierte Serien für Hotels und Restaurants mit italienischem Flair.
Das Aroma einer Kultur
Dass Bialetti über Jahrzehnte hinweg als Inbegriff italienischer Kaffeeleidenschaft galt, liegt nicht allein am Produkt. Es ist die Geschichte, die Haltung, die der Marke innewohnt. Alfonso Bialetti erfand mit der Moka Express nicht nur ein funktionales Gerät – er formte ein Lebensgefühl. Der Duft, der sich beim Aufkochen entfaltet, das leise Gurgeln, das den Brühvorgang abschließt – das alles ist weit mehr als bloße Technik.
Gerade in einer Zeit, in der „Erlebnis“ in der Gastronomie mehr denn je gefragt ist, könnte Bialetti wieder eine tragende Rolle spielen. Der Espressokocher als Teil des Frühstücksbuffets in Boutique-Hotels, als Element in der Live-Zubereitung an der Bar oder gar als Signature-Moment auf dem Tisch – vieles ist vorstellbar, wenn die neue Eigentümerstrategie auch Innovation zulässt.
Rettung als Chance
Noch ist unklar, welchen Kurs die neuen Eigentümer konkret einschlagen werden. Aber dass eine traditionsreiche Marke wie Bialetti mit frischem Kapital und einer langfristigen Perspektive versehen wird, ist ein gutes Zeichen. Die Rückkehr zu Stabilität könnte auch der Anfang einer neuen Ära sein – einer, in der italienische Kaffeetradition wieder sichtbarer, spürbarer und schmeckbarer wird. Nicht nur in heimischen Küchen, sondern auch dort, wo sie einst begann: an der Schank eines Cafés.
(APA/red)