Das Problem mit der Gastro

Beleidigt, belästigt, bedroht - so ergeht es Österreichs Lehrlingen im Gastgewerbe.
© Erstellt von Dall-E von OpenAi

Dass die Gastro „keine Leute mehr findet“, wundert nicht. Die Arbeitstage sind lang, der Umgangston rau und der Lohn niedrig. Wenn alle anderen mit ihrer Familie das Sonntagsessen genießen, steht man selbst hinter der Theke und erhört die Leiden eines alleinstehenden Ottakringer-Fans, der schon seit drei Stunden und fünf Bier den Barhocker wärmt. Silvester richtig reinfeiern und am nächsten Tag beim gemeinsamen Brunch den Abend Revue passieren lassen? Ein weit entfernter Traum. Dafür lässt sich am Mittwoch, während alle anderen im schicken Büro sitzen, auf ihren Tastaturen tippen und keine Zeit für den gemeinsamen Nachmittagskaffee haben, der freie Tag – wieder mal – allein genießen. Natürlich nur, wenn man ihn nicht gerade verschläft, weil die Nachschicht am Tag vorher statt um 23 Uhr erst um drei Uhr morgens endete.

So – oder so ähnlich – stellen sich viele das Berufsleben der Kellner, Rezeptionisten und Köche der Welt vor. Diese „Problemberufe“, wie sie von APA liebevoll beschrieben werden, verlieren stetig an Beliebtheit. Und das fängt schon früh an.

Das schwarze Schaf der Lehrberufe

Während sich Lehrlinge in der Industrie, im Hochbau, in Banken oder der Verwaltung über ihre ersten Schritte in der Arbeitswelt freuen, planen die Gastro-Lehrlinge  ihren Ausbildungsabbruch. Diejenigen, die ihre Lehre trotz aller Strapazen abschließen, wissen schon bei der Diplomübergabe, dass sie diesen Zettel wahrscheinlich nie wieder brauchen werden.

So ging es auch mir. Und siehe da: Ich hatte Recht. Nach fünf Jahren Hotelfachschule, monatelangen Praktika, Ausbildung zur Hotelkauffrau und Maturaabschluss sah auch mich keine Restaurantküche jemals nochmal von innen. So inspirierend waren meine ersten – und letzten – Erfahrungen in der Hotellerie.

Aber auch jene, die keine Matura als Rückendeckung haben, wenden sich von der Branche ab. Das zeigt eine Umfrage mit rund 4.700 Lehrlingen, durchgeführt von der Arbeiterkammer (AK) und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Grund für den Personalmangel sei demnach – neben vielen anderen Faktoren – auch die fragwürdige Qualität der Lehrausbildung selbst, wie Norbert Lachmayr vom Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung bei einem Pressegespräch am Mittwoch berichtete.

Beleidigt, belästigt, bedroht und bloßgestellt

Ein Drittel (!) der befragten Jugendlichen berichtete zumindest einmal, beleidigt, belästigt, bedroht oder bloßgestellt worden zu sein. Ungerechtfertigte Kritik bis hin zum Mobbing, lautes Schreien und mit Kraftausdrücken geschmücktes Beschimpfen gehören zum Lehrlingsalltag ebenso wie das brennheiße – wortwörtlich: frustrierte Köche wärmen Teller gerne absichtlich so stark, dass die aufstrebenden Servicemitarbeiter Blasen davontragen –und das Putzen der Küche –  unabhängig davon, ob man in dieser jemals etwas berührt hat oder nicht. Bei Frauen waren es sogar 40 Prozent, die von diesen Vorkommnissen berichteten. Und dabei sind die zwölf Prozent, die sexuelle Belästigung erlebten, und die weiteren zehn Prozent, denen Androhung von Gewalt nicht fremd ist, nicht miteinbezogen.

AK-Präsidentin Renate Anderl zeigte sich – zu Recht – bestürzt, und auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian kritisierte: „Die Betriebe müssen selbst erkennen, dass sie etwas tun müssen, wenn sie zu wenig Fachkräfte haben“. Es sei keine Lösung, die Liste der Mangelberufe ständig zu erweitern.

Wenn Lehrende versagen

Neben Tourismus, Gastgewerbe und Hotellerie waren die Bereiche Gesundheit, Medizin, Pflege sowie die Segmente Lebensmittel, Genussmittel und Ernährung ebenfalls betroffen. Dokumentation und regelmäßige Besprechungen des Ausbildungsfortschritts würden, so Katzian, bei vielen Auszubildenden fehlen.

Zudem gaben ein Drittel an, ausbildungsfremde Tätigkeiten leisten zu müssen. „Dass wir heute noch darüber diskutieren müssen, ob ein Lehrling das Auto vom Chef putzen soll oder für andere Jause holen soll. Das ist schon längst nicht mehr zeitgemäß“, sagte Anderl. Jeder vierte Lehrling absolviert regelmäßig Überstunden, nicht alle freiwillig. Zwölf Prozent gaben an, Überstunden nicht bezahlt bzw. zeitlich abgegolten zu bekommen.

Tiefenbacher forderte 1.000 Euro Lehrlingsentschädigung im ersten Lehrjahr für jeden Lehrling, egal in welcher Branche. Anderl erneuerte die Forderung nach einem Ausbildungsfonds. Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, sollen aus dem Fonds gefördert werden.

Dass diese Zustände natürlich nicht auf jeden Betrieb zutreffen, sollte jedem bewusst sein. Es ist auch nicht zu leugnen, dass es Fortschritte in der Branche gab. So wurde vor fünf Jahren über die Einführung der Fünf-Tage-Woche noch gelacht, und heute werben so manche Betriebe plötzlich mit einer Vier-Tage-Woche.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Man solle Menschen ja nicht immer in den gleichen Topf werfen, und so auch nicht die Hoteliers, Restaurantbetreiber und Barbesitzer. Jeder Arbeitgeber handelt nach seinen eigenen Werten. Manche Teams arbeiten vorbildlich, manche eben nicht.

Aber trotzdem: Allein die Tatsache, dass Sie gerade diese Worte lesen, anstatt mich gutgelaunt in Ihrem Lieblingsrestaurant anzutreffen, sollte Beweis genug sein, dass so manche in dieser Branche ihren Umgang mit Arbeitskollegen, Angestellten und vor allem den Lehrlingen noch einmal überdenken sollten.

Vielleicht würden ihr dann nicht mehr alle den Rücken kehren.

APA/Red.

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