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Schrauben-Koch

Rasche Versorgung, immer geöffnet, kein Personal, frische Speisen, ein breites Angebot: Die boomende Automaten-Gastronomie sorgt jetzt für ein neues Geschmackserlebnis.

14.06.2024 9:33
Redaktion
© Peter Baier

Der Raum strahlt einen eher unterkühlten Charme aus. Die Laune und Lautstärke der zwei Gäste am kleinen Tisch scheint das keineswegs zu trüben. Wenig später ist das Paar hörbar wieder betriebsbereit für das anstrengende Nachtleben, sichtlich motiviert durch einen kleinen Imbiss zwischendurch. Dann kehrt an diesem speziellen Ort in der Josefstädter Straße im achten Wiener Gemeindebezirk völlige Stille ein. Eine gute Gelegenheit für die Bestellung. 

Nach rund drei Minuten ist ein Kultobjekt aus dem südlichen Nachbarland tatsächlich schon fertig. Eine kleine appetitliche Steinofenpizza Margherita für schlanke 3,30 Euro liegt verzehrbereit auf der Unterlage. Dazu ein kühles Bier, danach noch Kaffee. Diese beschauliche Stätte der kulinarischen Begegnung ist trotzdem kein italienisches Lokal, wo die Belegschaft ein Schweigeseminar absolviert. Sondern einer der heimischen Standorte von „BistroBox“. Das Unternehmen aus Oberösterreich steht hinter der Idee einer 24-Stunden-Pizzeria, wo flinke Maschinen ihren Job Tag und Nacht ohne Murren absolvieren. Die Auswahl der Kreationen erfolgt via Touchscreen, nach durchgeführter Kartenzahlung zeigt der Ofen, was die Heißluft drauf hat. Natürlich gleichermaßen ohne jedes menschliche Zutun.

Einfache Selbstbedienung

Das Fehlen redseliger Fachkräfte mit berufsbedingter Eloquenz dürfte den Fans ohnehin nicht abgehen. „Unser Konzept hat bereits viele Menschen überzeugt, sich in Selbstbedienung schnell und einfach eine hochwertige Pizza samt Getränk zu holen“, verkündete BistroBox-Geschäftsführer Klaus Haberl selbstbewusst anlässlich der Eröffnung zweier neuer Standorte in Niederösterreich. Kleine Brötchen wollen die Macher sichtlich nicht backen. In Steyr können Autofahrer jetzt den „Tankstellenshop der Zukunft“ betreten. Dort hat der Franchiser mit dem „24/7 Smart Store“ seine erste komplett digitalisierte Location eröffnet – ohne Personal vor Ort. Kunden können an dieser Avanti-Tankstelle täglich rund um die Uhr Kraftstoff beziehen, in der „BistroBox“ essen und einkaufen. Das Sortiment wurde im neuen Konzept auf über 230 Produkte erweitert. Von der Bestellung und Bezahlung über die Zubereitung bis zur Entnahme läuft alles vollautomatisiert. Wer sich mit regionalen Brot und Gebäck zum Barista-Heißgetränk gleich verpflegen will, nimmt im Sitzbereich Platz und testet ein Gaststättengefühl der ungewöhnlichen Art. Die aktuell boomende Automaten-Gastronomie hat nur mehr wenig zu tun mit schlichten Objekten, wo der Käufer Mineralwasser und Schokoriegel entnehmen kann. Hier handelt es sich um Hi-Tech-Nahrungsdestinationen, die Speisen und Getränke im deutlich größeren Still servieren.

In vielen Ländern starten immer mehr solche alternativen Versorger, überwiegend in urbanen Zentren. Sie passen anscheinend perfekt in eine Zeit, in der fast alles automatisiert wird. Warum also nicht die persönliche Logistik in Sachen Kohlehydrate und Kalorien adaptieren – zur Freude all jener, die es stets eilig haben? Die Zeichen stehen jedenfalls auf Tempo. Der Kunde tritt ein, deponiert seine Bedürfnisse und den Rest erledigt der routinierte Schrauben-Koch. 

Das gesamte Procedere folgt dem Credo der nüchternen Effizienz. Gemütlichkeit wird durch Geschwindigkeit ersetzt, die Customer Journey ist mit wenigen Handgriffen optimiert. Der Besucher entnimmt Nudeln, Sushi, Bier, Kuchen, Kaffee oder Gulasch aus dem jeweiligen Fach. Anschließend werden diese Produkte am Point of Sale verbraucht, unterwegs ihrer Bestimmung zugeführt oder im Büro oder der Wohnung einer Mikrowelle anvertraut. „Die Menschen sind heute ständig in Bewegung, haben wenig Zeit und wollen dennoch unkompliziert und ohne lange Wartezeit etwas zu essen besorgen. Es geht es aber ebenfalls um Abwechslung bei den Mahlzeiten. Immer wieder die gleiche Semmel oder das gleiche Kebap wird schnell langweilig. Frische Speisen aus dem Automaten bilden hingegen eine sehr gute Alternative“, vermerkt Alexander Billasch, Geschäftsführer von Foodie Fridge.

Alternative Kantine

Die Maschinen erfüllen ihr Versprechen für schmackhafte Abwechslung mit Menüs, Wraps oder Sandwiches. Bio-Drinks und der hausgemachte Brownie gehören gleichfalls zum Repertoire. Wer dann in den ÖBB-Bahnhöfen Tullnerfeld, Stockerau und Brunn am Gebirge hungrig in die Fächer geift, kann sich mittels Touchscreen über Details und Inhaltsstoffe der Mahlzeiten informieren. Was auch am Arbeitsplätzen möglich ist: Bisher 10 Firmen nutzen Foodie-Fridge-Apparate als Take Away-Kantinen. Für Plaudereien in der Mittagspause ist jene Spezies aber ungeeignet. Wer also Small Talk für verzichtbar hält, ist in der Automaten-Welt gut aufgehoben. Alle Transaktionen laufen anonym und kontaktlos ab. Solche zeitgeistigen Einrichtungen kennen aber auch keinen Fachkräftemangel oder  Diskussionen zum Thema Work-Life-Balance. Im Gegenzug scheitert der Verbraucher beim spontanen Hungergefühl zu keiner Stunde an fest verriegelten Türen.

Applaus erhält diese Convenience im Maschinenraum nicht nur von Nachtschwärmern, Selfservice-Fans oder Digital Natives. Problemlose Verfügbarkeit zu jeder Stunde ohne Gedränge vor Warenregalen findet offenbar in mehreren Schichten Anklang. „Unsere Zielgruppen sind sehr unterschiedlich. Wir haben von ganz jungen Schülern bis Pensionisten alles dabei“, sagt DJ Mosaken, zusammen mit Christopher Neudeck Betreiber des „Wiener Späti“. 

Prämierte Weine

Die Location setzt gleichermaßen auf relativ üppige Auswahl. Suchende finden hier unter anderem Prosecco, Gin, Chips, heimisches Bier, Schokolade, Snacks, Craft Beer, Soft Drinks oder Wodka. Für ganz andere körperliche Bedürfnisse sind auch Kondome erhältlich. Ein echtes Highlight bilden zusätzlich prämierte Weine aus Österreich – was regelmäßige Besucher derartiger Destinationen wenig  verblüffen dürfte. Viele Macher sind offensichtlich bemüht, nur ja keine Gedanken an ein tristes, matt beleuchtetes Ambiente aufkommen zu lassen, wo das ramponierte Fach mit der Dose schon seit Wochen klemmt. Vielmehr wird neben Sauberkeit und einem angenehmen Umfeld gleichermaßen auf Breite inklusive Niveau im Sortiment geachtet, damit die Abnehmer keinen Wechsel zur gut sortierten Tankstelle andenken, die auch nicht weit weg ist. Ambitionierte Bestrebungen basieren auf rationalen Motiven. Immer mehr Anbieter drängen heute auf diesen Markt, von der kargen Mini-Kammer mit drei Apparaten bis zur schicken, bestens ausgestatteten Versorgungsniederlassung. Was fast automatisch einen intensiven Wettbewerb in Aussicht stellt. Dazu kommen etablierte Platzhirsche wie das Beisl am Eck oder Fast Food-Ketten, die ihr Stück vom Kuchen sicher nicht abgeben möchten.
Offen bleibt, ob das aufstrebende Segment dauerhaft genug Kundschaft binden kann. Wenn der Hype abflaut, sollte sich auf beiden Seiten des Automaten die Spreu vom Weizen trennen. Dann dürfte rasch klar sein, welche User Stammgäste bleiben und wer auf den nächsten Trend wartet. Die Digitalisierung samt ihren damit verbundenen Verhaltensänderungen dürfte sich jedenfalls als Argument für besagte Start-Ups erweisen. Auch der Standort oder eine zugkräftige Unique Selling Proposition dürften über Top oder Flop bestimmen.

Digitale Verhaltensänderung

Einstweilen zieht die moderne Automaten-Generation immer weitere Kreise, illustriert „Alladean“. Der Slogan dieser Shops in Wien lautet „Immer für deine Wünsche offen“ und ist Programm. Hier findet der Interessent eine stattliche Palette von Drogeriewaren über Snacks oder Getränke bis zu Technik. Anders als der klassische Handel sind die Geschäfte täglich rund um die Uhr geöffnet, kommen ohne Personal aus und brauchen keine Kasse.

Was aktuell besonders jüngere Kreise zum Öffnen der Geldbörse motiviert. „Unsere Zielgruppe sind experimentierfreudige Personen im Alter von 16 bis 30 Jahren, die großen Wert auf Schnelligkeit und Spontanität beim Einkauf legen. In unseren Filialen bieten wir ein Erlebnis, bei dem Automaten schnell gewünschte Produkte bereitstellen, ohne dabei überflüssige Fragen zu stellen“, verkündet Alladean-Geschäftsführer Mathias Mühlhofer.

Allfällige hilfreiche Hinweise werden natürlich ebenfalls entfallen. Die Klientel hat ohnehin andere Präferenzen. Mühlhofer: „Die Produktpalette ist bewusst auf aktuelle Ansprüche von Kunden abgestimmt. Wir investieren in eine Abteilung für Recherche sowie Einkauf, damit neue und gefragte Waren sofort verfügbar sind. Der asiatische Boom hat sich zu einem Trend gewandelt, bei dem immer mehr Branchen auf Verkaufsautomaten setzen. Wir sind gespannt, in welche Richtung die Entwicklung gehen wird.“

Portrait

Christian Prenger

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