Unvorstellbare Entgleisung

Ein Wutschreiben von Günther Aloys, dem Vorzeige-Hotelier von Ischgl, wo er unsere Medien beschimpft, sorgt für Entsetzten in unserer Redaktion.

Ich habe schon viel in meinem Leben erlebt. Aber dieses Schreiben schlägt alles. Dieses Schreiben setzt der Arroganz, der Abgehobenheit, der Uneinsichtigkeit und der Ignoranz die Krone auf: Denn heute, an einem jener Tage, wo Österreichs Medien schon wieder voll mit Ischgl-Reportagen sind „Corona-Party: Infizierte Norwegerin feierte in Ischgl und Innsbruck“ – Kurier, „Land Tirol veröffentlicht Ischgl-Chronologie“ – Krone, „Staatsanwaltschaft Innsbruck – 1.000 Seiten starker Zwischenbericht, 25 Tirol-Urlauber an Covid-19 gestorben“ – der Standard) erhalte ich ein Schreiben des Pioniers von Ischgl. Vom Guru der Alpen. Von der Nummer 1 der professionellen Vermarktung Tirols. Von dem Mann, der Paris Hilton für seinen Energy-Drink und für den Aufbau des „Ibizas der Alpen“ um teures Geld nach Österreich geholt hat: von Günther Aloys. Dem Besitzer des Hotels Madlein. Einem Mann, der groß denkt und die Skipisten so mir-nichts-dir-nichts unter Glas stellen wollte. Der aus „seinem“ Ischgl“ den Ballermann der Alpen gemacht hat. Und dieser Mann schreibt mir: „Sie müssen blind, gehörlos und schlicht und einfach dumm sein.“ Davor: ein langatmiger, unreflektierter Text, indem er schreibt, wie großartig Ischgl ist. Und kein Wort über die Verfehlungen. Kein Wort davon, dass 25 Tirol-Urlauber an Covid-19 gestorben sind. Weil dort einige, die den Hals nicht vollkriegen konnten, in grenzenloser Gier über das Ziel hinausschossen.
Und genau das hatte ich in einem Kommentar am 2. April 2020 in Österreichs größter Reisezeitung „FaktuM“ und parallel dazu in unserer großen Gastronomie- und Hotellerie-Zeitschrift „FM“ geschrieben. Unter dem Titel „Wie die skrupellosen Tiroler Geldsäcke wüten“ hatte ich moniert, dass alle Tourismusbetriebe Westösterreichs darunter leiden werden, dass ein paar Seilbahn- und Lift-Bonzen und ein paar gierige Hoteliers sowie diverse Vergnügungs- und Bar-Betriebe wie das Kitzloch, ihren Hals nicht vollkriegen konnten. Und dass das alle in Tirol in den nächsten Jahren verdammt viel kosten wird. Dass der Preis dafür hoch, die Strafe dafür gewaltig sein wird.
Jeder Krisenmanager weiß – selbst der Unerfahrenste – dass das Einzige, was hilft, wenn man etwas verbockt hat und den Karren gegen die Wand gefahren hat, ist, dass man Einsicht zeigen muss. Und zweitens mit gebeugtem Haupt um Vergebung bitten muss. Und drittens zeigen muss, wie man die Dinge künftig besser macht.  Anstatt dass Günther Aloys, der Visionär und großartige Tiroler Vordenker, „sein“ Ischgl jetzt als das virensicherste Tourismusort der Welt präsentiert, anstatt dass er Konzepte entwickelt, wie man die Hygienestandards dort verbessert, anstatt dass er ein visionäres, ansteckungsfreies System fürs Skifahren der Zukunft präsentiert, anstatt dass er zeigt, wie man künftig sicher mit Gondeln fahren kann, beschimpft er die, die die Wahrheit schreiben. Und die Tiroler Gierschläuche zur Rede gestellt haben. Ziemlich armselig, Herr Aloys. Vielleicht können Sie ja mit Ihrem langen, weißen Haar, vor dem ich größten Respekt habe, und der Weisheit Ihres Alters auf Ihre alten Tage noch eines lernen: Man sollte nachdenken, bevor man die eigene Wut in Wörter gießt. Dass Aloys mit seiner Nichtbereitschaft zum Aufarbeiten der Verfehlungen und mit seiner Schuld-Nichteinsichtigkeit den Schaden für seine Gemeinde nun sprunghaft vergrössert, dürfte dem selbstherrlichen Guru wurscht sein.
 
Christian W. Mucha
 
Den FaktuM-Artikel finden Sie unter diesem Link ab Seite 80: https://faktum.at/lesen/

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