Schadensersatzprozess in der Causa Ischgl geht in die finale Runde

Deutsche Klägerin sieht Betreiberin und Republik in der Verantwortung
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Die Klägerin ist eine Deutsche, die vom 10. bis 12. März 2020 Urlaub in Ischgl gemacht und sich dort mit Corona infiziert hat

Am Montag ist am Landesgerichtshof für Zivilrechtssachen in Wien der Prozess weitergegangen, bei dem eine deutsche Touristin die Republik Österreich sowie ein Hotel in Ischgl aufgrund ihrer Corona-Infektion klagt. Die Klägerin wirft den Behörden vor, keine Sicherheitsmaßnahmen getroffen zu  haben und auch vom Hotel sei sie wiederum bewusst über die Coronalage getäuscht worden. Das Verfahren ging am Montag in die finale Runde und wurde abgeschlossen – ein Urteil wird schriftlich erfolgen.

Corona? Kein Thema

Die Managerin des Hotels zeigte sich am Verhandlungstag Anfang September relativ ahnungslos über die Vorgänge in Ischgl im März 2020. Laut ihren Angaben habe sie mit ihrem Bruder, der Obmann des Tourismusverbands Paznaun-Ischgl ist, im besagten Zeitraum nie über Corona gesprochen. Sie habe zwar von der damals dramatischen Corona-Situation in Norditalien und Fällen in Innsbruck gehört, aber sie habe keine Angst um ihre Gäste und Mitarbeiter gehabt. Deswegen sei auch Corona kein Thema gewesen.

Die Klägerin, eine Deutsche, die vom 10. bis 12. März 2929 Urlaub in Ischgl machte, hatte sich dort mit Corona infiziert. Sie habe sich vor der Anreise explizit beim Hotel erkundigt, ob alles ok sei und das Hotel habe “wider besseres Wissen erklärt, dass es in Ischgl keine Probleme mit Covid-19 gäbe”. Zuvor war bekannt geworden, dass Isländer in Ischgl an Corona erkrankt seien. In ihrer Befragung am Zivilgericht schloss die Frau aus, dass sie vor ihrer Abreise Kontakt mit einer infizierten Person gehabt haben könnte. “Sie können unbesorgt anreisen”, habe ihr eine Bedienstete des Hotels noch am Telefon erklärt, schilderte sie. Auch habe sie den Betrieb gebeten sie zu informieren, sollte sich etwas an der Corona-Situation ändern.

Sie habe lediglich in den deutschen Medien von Covid-Fällen in China gehört, aber nicht von in Österreich oder gar in Italien, wo zum Zeitpunkt der Anreise bereits eine Gesundheitskrise herrschte, sagte die Frau aus. Bekannt seien ihr lediglich die drei Fälle in Innsbruck gewesen. Auch von einer Pandemie habe sie nichts gehört. “Wenn ich nach Südamerika reise, erkundige ich mich auch”, begründete sie ihre Anfrage an das Hotel. “Wenn ich gewusst hätte, was in Ischgl ist, wäre ich natürlich nicht hingefahren, hätte ich meine Koffer wieder ausgepackt.”

Falsche Einschätzung der Lage

Erst einmal angekommen, begab sich die Klägerin abends in einer Après-Ski-Bar. Wie ernst die Pandemie zunehmen war, wusste die Touristin erst, als tags darauf die Bars zugesperrt waren und sie der einzige Gast im Restaurant war. “Dann bin ich in mein Zimmer gegangen, habe meine Koffer gepackt und weg!” Krank sei sie erst nach ihrer Ankunft in Deutschland geworden, “mit wahnsinnigen Kopfschmerzen”.

Getestet wurde die Touristin nach Aufkommen der ersten Symptome jedoch nicht. Erst als die Beschwerden schlimmer wurden, rief sie bei Ärzten an, die Praxen hatten jedoch alle geschlossen. Später sei ihr von einer Arzthelferin gesagt worden, auf keinen Fall in die Praxis zu kommen. “Irgendwann ging es mir so schlecht, da war es mir scheißegal, ob ich sterbe oder nicht”, begründete sie, warum sie später nicht die Rettung rief. Erst ein Antikörpertest brachte schließlich die Gewissheit, dass es sich um Corona gehandelt hatte.

Noch immer leide sie an den Nachwirkungen ihrer Infektion, berichtete die Deutsche, darunter etwa Konzentrations- und Wortfindungsstörungen. “Immer wieder ist irgendwas, wo ich denke: Was ist jetzt wieder?” Obwohl die Klägerin angegeben hatte, vor ihrer Infektion an keinen Lungenproblemen gelitten zu haben, hielt ihr der Anwalt des Hotels ein Dokument vor, nachdem sie schon vor ihrem Ischgl-Aufenthalt im Jahr 2019 Reha-Sport für die Lunge gemacht haben soll. “Das ist falsch ausgefüllt”, meinte sie.

Zweifel seitens der Verteidigung

Die Verteidigung des Hotel-Managements bezweifelt abermals, dass sich die deutsche Touristin während ihres Aufenthaltes tatsächlich mit dem Corona-Virus angesteckt hat und warf ihr zudem Sorglosigkeit ihrerseits vor. Zur Zeit der Anreise der Frau seien bereits zahlreiche Medienberichte über die Situation in den Medien gewesen. Auch an den von der Klägerin genannten Nachwirkungen der Infektion hegt die Verteidigung Zweifel, denn sie sei offensichtlich schon 2019 in lungenfachärztlicher Therapie gewesen, was das Reha-Dokument beweise.

Für Meinungsverschiedenheiten unter den Parteien sorgte das Ansinnen der beklagten Seite, Alexander von der Thannen, Obmann des Tourismusverbandes Paznaun-Ischgl, unterliege einer Verschwiegenheitsverpflichtung und dürfe daher nicht in der Causa befragt werden. Der Richter schloss – unter Vorbehalt einer Wiedereröffnung wegen weiterer Einvernahmen – dennoch das Verfahren und kündigte ein schriftliches Urteil an.

Abgewiesene Amtshaftungsklagen

Der Verbraucherschutzverein (VSV) hatte im September 2020 erste Amtshaftungsklagen eingebracht, das Gericht wies diese aber mit der Begründung ab, dass der Republik für die betreffenden Zeiträume “weder ein schuldhaftes noch ein rechtswidriges Verhalten anzulasten” sei. Im Juli hob der Wiener Oberlandesgericht (OLG) dieses Urteil auf, weil es mit Feststellungsmängeln behaftet sei. Die Rechtssache wurde zur Verfahrenergänzung und neuerlichen Entscheidung ans Landesgericht für Zivilrechtssachen zurückverwiesen.

In der Klage gegen die Republik hat die Finanzprokuratur Rekurs gegen die Entscheidung des OLG erhoben. Die Finanzprokuratur – als Anwalt der Republik – ist der Meinung, dass allfällige Fehler bei der Kommunikation durch den Tiroler Landespressedienst nicht dem Bund zurechenbar sind, sondern vielmehr nur das Land Tirol dafür verantwortlich wäre.

 

APA/ Red.

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