Post-Corona-Strategien für den Tourismus

Laut Mediaplus Austria-Analyse ist 2020 noch nicht "verloren".
Bild von Julius Silver auf Pixabay

Hallstadt z.B. könnte heuer auch für heimische Touristen wieder interessanter sein

Geschlossene Grenzen, Reisewarnungen und nur zögerlich geplante Lockerungen der Einreisestopps: Österreichs Beherbergungs- und Freizeitbetriebe dürfen ab 29. Mai ihre Türen wieder öffnen. Es herrscht aber Pessimismus darüber, ob der Inlandstourismus den Wegfall ausländischer Gäste kompensieren kann. Mediaplus Austria hat gemeinsam mit Saint Elmo’s Tourismusmarketing analysiert, wie heimische Tourismusbetriebe Trends von Transformational Tourism bis Staycation für sich nutzen können, um den Restart der „Sommerfrische“ anzufeuern.
Laut WIFO wird sich die Nachfrage nach Nächtigungen über die Monate Juli und August hinweg erholen, und ab September soll das Vorjahresniveau zumindest annähernd erreicht werden – getragen insbesondere von der Nachfrage nach Inlandstourismus. Allerdings können sich 46 Prozent der Österreicher laut Mediaplus-Marktforschung derzeit nicht vorstellen, dieses Jahr zu verreisen. Wenn überhaupt, dann nur absolut isoliert und autark. „Wenn gebucht wird, dann plant Österreich heuer zwei Arten von Urlaub: Reisen, die viel Freiraum oder freie Flächen bieten, wo man nicht so viel auf Menschen trifft, wie beispielsweise Urlaub am Bauernhof. Oder als zweite Variante Individualferien in Form von Roadtrips mit dem Camper, Motorrad, Auto oder Fahrrad“, erläutert Ronald Hochmayer, Managing Partner Mediaplus Austria.

Ronald Hochmayer / © Mediaplus
„Die gute Nachricht: Heimaturlaub war schon vor COVID-19 ein absoluter Trend, und der ist weiter auf dem Vormarsch. Und unser Tourismusgewerbe ist auch wunderbar aufgestellt, um den Wunsch der Reisenden nach Sicherheit, Beziehungen und Sinnhaftigkeit zu erfüllen“, ergänzt Verena Kehr, Group Head Tourism Consulting & Planning bei Mediaplus Austria. Es gilt, die derzeit möglichen Handlungspotenzale auszuschöpfen, um einen gelungenen Restart hinzulegen. „Unsere Hotellerie ist jetzt gefordert, Reise-Megatrends wie Regionalität, Transformational Tourism, Resonanztourismus oder Staycation gut für sich zu nutzen“, so Kehr.
Trend 1: Regionalität – auch im digitalen Raum
Auch jetzt nach ersten Lockerungen bleibt es für touristische Leistungsträger wie im Lockdown essenziell, in Kontakt mit potenziellen Reisenden zu bleiben und die regionalen Assets vor den Vorhang zu holen. Durch Kampagnen werden Vorfreude und Hoffnung geweckt und der Tourismus – und die wunderschönen Gegenden Österreichs – in den digitalen Raum verlegt. „Oberösterreich Tourismus erkannte zum Beispiel schnell, dass Menschen ihre Zeit momentan größtenteils zu Hause verbringen, im Home-Office arbeiten und dadurch natürlich die Onlinenutzung steigt – und reagierte mit einer passenden Lösung, um der Bevölkerung trotzdem ein Tourismuserlebnis zu ermöglichen“, erklärt Kehr. Auf der Website oberösterreich.at und auf den Social-Media-Kanälen greift Oberösterreich Tourismus die Idee des virtuellen Reisens auf. Angeboten werden ein Streifzug durch die Naturschönheiten des Landes, eine 3D-Führung durchs Museum und ein Linzer Torten-Backkurs. Der Tourismusverband „Wilder Kaiser“ startete Ende April die Kampagne #innaherferne, um in dieser ungewissen Zeit Vorfreude zu verbreiten. Die Botschaft hebt vor allem die räumliche Nähe bzw. die gute Erreichbarkeit im Alpenraum hervor – und verbindet die beiden Megatrends Regionalität und Digitalisierung.

Verena Kehr / © Mediaplus
Trend 2: Sinn stiften mit Transformational Tourism
Ein zweiter Trend neben Regionalität ist „Transformational Tourism“: Hier stellen Tourismusbetriebe den Sinn, den „Purpose“, ins Zentrum des Reiseerlebnisses. „Einfach gesagt sollen Gäste durch ihre Reise eine positive Veränderung erleben – und vielleicht auch Hoffnung für die Zukunft schöpfen“, so Kehr. Das bewusste Genießen und Zeit nehmen, anstelle des hastigen Konsumierens, rückt verstärkt in den Vordergrund. Marken müssen hier ansetzen und Reisenden helfen. Es gilt Optionen aufzuzeigen und Angebote zu schaffen, die einen Mehrwert bieten – sowohl für einen selbst als auch für andere. So startete Zermatt Tourismus zum Beispiel am 24. März die Aktion #hope, die Menschen verschiedenster Länder Hoffnung in der Krise schenken soll. Hierfür wurde der Lichtkünstler Gerry Hofstetter beauftragt, der für fünf Wochen täglich zwischen Sonnenuntergang und 23 Uhr das Matterhorn beleuchtete. Jeden Tag wurde ein neues Bild auf die Ostwand des Berges projiziert. Die Aktion konnte live über eine Webcam mitverfolgt werden. Durch die Projektion von Schriftzügen und zahlreichern Länderflaggen sowie Kantonswappen rücken in dieser Aktion die Werte Solidarität und Gemeinschaft in das Zentrum der Kommunikation.
Trend 3: Resonanztourismus: Zurück zum Glück der Gäste
Echte Erfahrungen, authentische Erlebnisse – das wünschen sich Reisende laut Kehr: „Menschen wollen berührt werden, Beziehungen knüpfen. Daher muss der Tourismus ein freundschaftliches Angebot von Lebensqualität und gelingenden Beziehungen, von einem ,Wir-Gefühl*, machen – und damit das Erlebnis menschlicher Resonanz bieten”, erklärt sie. Dieses Erlebnis sollte im Idealfall in Kooperation von (regionalen) Tourismusanbietern geschaffen werden und so die Grundlage für ein gemeinsames Ökosystem eines Resonanz-Tourismus bilden.
Denn auch laut dem Zukunftsinstitut liegen die großen Chancen in einem Tourismus, der sich nicht an noch mehr digitalen Daten orientiert, sondern an menschlichen Bedürfnissen. Dieses Verständnis eröffnet der Tourismusbranche neue Handlungs- und Wertschöpfungsmöglichkeiten. Die (nahe) Zukunft liegt in der Kooperation und in der markenkonformen Gestaltung von Erlebnisräumen. Diese werden einerseits lokaler, privater (derzeit gibt es z.B. rund 1.000 Anfragen täglich aus Deutschland beim Bundesverband von Urlaub am Bauernhof in Österreich), andererseits aber auch inhaltlich kooperativer im Sinne einer sinnstiftenden, werthaltigen touristischen Wertschöpfungskette.
Trend 4: „Staycation“ – „Bleisure“-Angebote & Langzeitaufenthalte mit Mehrwert
Staycation ist in Zeiten von COVID-19 sicherlich der größte Mitbewerber des Reise-Sektors. In den Mittelpunkt rücken hierbei Kurzurlaube, Ausflugsziele in der näheren Umgebung und die Ansprache neuer Nahmärkte. Touristische Akteure können durch innovative Konzepte von der derzeitigen Situation profitieren und neue Handlungsfelder eröffnen. Eine Möglichkeit ist die Verknüpfung von Staycation mit Langzeitaufenthalten. Hier punkten Co-Crafting oder Co-Creative-Angebote in idyllischen Urlaubsdestinationen, abseits der Hauptreisezeiten, Grätzelhotels und andere Leerstands-Initiativen.
Außerdem können Reiseanbieter auf Bleisure-Angebote setzen, die Business und Leisure miteinander verbinden und auch Begegnungen mit Einheimischen vorsehen (wie z.B. im Vorarlberger Feldhotel). Ein weiteres Beispiel sind Eugene Quinn und Fidelia Gartner (beide Mitglieder von space and place) mit der für Ende Juli geplanten Vienna Walking Week. Damit zeigen sie, dass Wien auch für WienerInnen eine attraktive Urlaubsdestination sein kann. Mit eigens kreierten Touren führen sie durch bisher unbekannte und unterschätzte Orte der Bundeshauptstadt. Sie setzen damit voll und ganz auf Staycation, denn knapp ein Viertel der WienerInnen plante schon 2019 einen Urlaub zuhause.
„Die Krise hat das bekannte Wertebild verändert und bringt in Zukunft zusätzliche Ansprüche an den Tourismus mit sich. Damit ergeben sich neue Anforderungen sowohl in der Angebotsgestaltung als auch in der dazugehörigen Kommunikation. Ein Anpassen und Umdenken sind unerlässlich”, resümmiert Hochmayer. “Touristische Marken müssen sich jetzt agil auf die neuen Bedürfnisse wie Sicherheit, Gemeinschaft, Wertschätzung und Solidarität einstellen und in der Kommunikation aufgreifen. Die Marke und Identität werden in Zukunft einen stärkeren Differenzierungsfaktor als das Produkt selbst bilden.”
PA/red

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