Mein Bus war eine Virenschleuder!

Wie es einem kleinen Busunternehmen in Zeiten von Corona geht, schildert die tapfere One-Woman-Show Bettina Bitschi im FaktuM-Interview.
© privat

Busunternehmerin Bettina Bitschi

Alles begann damit, dass Bettina Bitschi, Leserin unserer Zeitschrift FM, unseren Artikel über die Geldsäcke vom Arlberg und Ischgl las: die Chronique doloreuse der Tiroler Corona-Verfehlungen.
Dazu schrieb sie uns das folgende Mail:
„Ich habe den Artikel über Ischgl gelesen. Super gut! Ich habe ein Reisebusunternehmen und derzeit 100 Prozent Ausfall. Ich war mit einem Betrieb aus Nenzing am 7. März in Ischgl. Von ca. 20 Personen waren dann 17 Corona positiv, wie ich erst vor ein paar Tagen erfahren habe! Ich wurde am 15. März informiert, dass zwei Personen Corona positiv waren. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass viel mehr Infizierte im Bus waren. Mein Bus war zu 95 Prozent eine Virenschleuder! Ich hatte nichts (bin in Ischgl die ganze Wartezeit im Autobus geblieben!). Bei der Rückfahrt war der Bus gut geheizt, aber die Insassen alle sturzbesoffen. Sie waren im Hotel Trofana Royal saufen. Liebe Grüße Bettina Bitschi, Bitschi Bus, Bludenz“
Um dies zu hinterfragen, führte FaktuM-Herausgeber Christian W. Mucha das nachfolgende Interview mit Bitschi:
FaktuM: Wir waren sehr überrascht und auch einigermaßen schockiert von ihrem Schreiben.
Darin berichten sie, dass 17 der 19 von ihnen beförderten Personen Corona positiv waren. Woher wissen sie, dass gerade 17 mit dem Virus infiziert waren?
Bitschi: Das war eine Firma in der Nähe bei Nenzing, die einen Skitag veranstaltete. Es waren an diesem Wochenende sehr viele Reisebusse mit Tagesskigästen in Ischgl. Alles ging seinen normalen Lauf. Während der Wartezeit habe ich mich innen um den Bus gekümmert und gründlich geputzt. An Bord waren viele Sandwiches und Süßwaren zum Essen, deshalb bin ich die ganze Zeit im Bus geblieben und nirgendswohin gegangen in Ischgl. Die Kunden waren nach dem Skifahren im Hotel Trofana zum “Aprés Ski” noch etwas trinken. Nachdem mir am 15. März mitgeteilt wurde, dass zwei Corona positiv getestet wurden, musste ich mich ab dem 16. März auch zwei Wochen in Quarantäne begeben. und zwei Wochen in Quarantäne kamen. Erst Mitte April habe ich dann erfahren, dass so viele  Corona positiv waren.
FaktuM: Wahnsinn! War das für einen der von ihnen Beförderten lebensbedrohlich oder ist eine Person gestorben?
Bitschi: Nein!
FaktuM: Und die Businsassen waren alle betrunken? Die ganze Partie?
Bitschi: Ja, aber deshalb wird ja ein Bus gemietet, damit man sicher nach Hause kommt. Die Kunden gehen Skifahren und danach zum Aprés Ski. Die Rückfahrt ist meist um 20 Uhr.
FaktuM: Haben Sie persönlich eine Maske getragen oder sich geschützt?
Bitschi: Nein, ich habe nichts getragen! Das war ja noch ganz in den Anfangszeiten! Ich habe jedoch noch am 14. März, also am Tag vor der Bekanntgabe, dass Corona positive im Bus waren, meine 86-jährige Mutter besucht, die grippig war, um ihr ein paar Dinge zu bringen, die sie brauchte. Zu diesem Zeitpunkt war Ischgl schon als Risikogebiet eingestuft worden. Deshalb habe ich Abstand gehalten und sie nicht umarmt! Die kommenden Wochen waren aber eine Höllenqual, da ich nicht wusste, ob ich auch infiziert bin oder ob ich meine Mutter angesteckt habe! Es ist ein Wunder, dass ich nichts hatte!
FaktuM: Machen Sie derzeit Geschäft?
Bitschi: Ich habe jetzt gar nichts mehr von meinem Busunternehmen. Ich habe noch einen Werksverkehr für die Firma Liebherr – Gott sei Dank! Allerdings sind die heruntergefahren auf Kurzarbeit: Da fährt man auch nur zur Hälfte! Ansonsten habe ich keinen Linien-, keinen Schüler-, nur Gelegenheitsverkehr, das bedeutet Ausflugsverkehr! Und der ist derzeit auf Nullkomma-Null gesetzt! Gestern und vorgestern habe ich wieder Absagen für den September bekommen! Auch der September funktioniert nicht! Also das ist für uns in der Reisebusbranche, von der man auch gar nichts hört – man hört nur von der Luftfahrt und der Hotellerie -, ganz schlimm. Also im Reisebusgeschäft kommt alles zusammen: Da sind die alten Leute, die jetzt nicht fahren. Da ist auch ein Abstand schwer einhaltbar. Und zudem sind alle Grenzen zu Italien zgeschlossen. Bei uns kommt alles zusammen, was das Coronavirus an Schlechtem bringt.
FaktuM: Ist das ihr Betrieb?
Bitschi: Ja.
FaktuM: Darf ich fragen, wie alt Sie sind?
Bitschi: Ich bin 54 Jahre alt.
FaktuM: Wie viele Mitarbeiter haben Sie?
Bitschi: Wissen Sie, ich bin eine sehr geschundene Frau in dieser Männerdomäne. Ich habe seit drei Jahren heruntergeschaltet, und habe jetzt vier Busse. Einer ist nur für den Werksverkehr bestimmt, zwei für den Gelegenheitsverkehr und einer im Stand-Bye. Das mache ich komplett im Alleingang. Ich habe keine fixen Fahrer mehr.
FaktuM: Sie sind also eine One-Woman-Show, die sich dann Fahrer dazu holt, wenn Sie sie braucht?
Bitschi: Richtig.
FaktuM: Wie überleben Sie jetzt? Wovon leben sie?
Bitschi: Vom Werksverkehr. Ich hatte das große Glück, dass ich letztes Jahr einen Riesenauftrag von der ÖBB bekommen habe, den keiner meiner Mitstreiter machen wollte. Das war ein Schienenersatzverkehr: Da bin ich von 6 bis 24 Uhr acht Wochen lang gefahren. Das war der größte Auftrag, den ich je gehabt habe. Ich bin selber gefahren, was das Zeug hält. Ich habe vier Fahrer angemietet, und für drei Monate angemeldet. Davon profitiere ich jetzt! Ich kann als Kleinunternehmen jetzt den Betrieb soweit herunterfahren, wie nur möglich: Ich mache quasi die Totenstellung!
FM: Dann wünschen wir Ihnen alles Gute! Danke für das Gespräch!
red

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