Man nennt es Haltung

Eine starke Frau, die den Dirigentenstab nicht dem Virus überlässt, wird ausgezeichnet: Die Präsidentin der Salzburger Festspiele, Dr. Helga Rabl-Stadler, erhält den FM Incomingpreis 2020.
© Mucha Verlag

Im Auto. Auf dem Weg ins Büro. Auf Radio Austria läuft der neue Song des burgenländischen Interpreten Lemo. Ein starker Song. Er trifft. Mitten ins Herz. Genau darum geht’s jetzt: „Weißer Raum, kahle Wände/ Draußen geht die Welt zu Ende/ Drinnen hängt die Zeit wie nasser Sand/ Du sitzt allein in deiner Kammer/ Hol’ dir einen großen Hammer/ Und schlag’ ein Loch durch deine Wand/ Und sag’ mir, wer, ja wer/ Soll außer dir den Karren aus dem Dreck ziehen?/ Und ich glaub’ an dich,/ Ganz egal, was war, was ist/ Es wird gut unterm Strich.“
Ich rücke die Krawatte zurecht und marschiere ins Büro. Fieberkontrolle. Desinfektion. Abstand halten. Kommunikation nur über die Gegensprechanlage. Maskenpflicht. 
Die Redakteurin eines Fernsehsenders ruft an und ersucht mich um ein Statement. Am besten gleich jetzt. „Das Kamerateam ist in 30 Minuten da.“ Kein Problem. Solange sich die an die Spielregeln halten. Auf meinem Instagram-Account poppt ein Foto auf: Eine bekannte Unternehmerin in top-elegantem Outfit. Mit dem Begleittext: „Ready for the office… Always a reason to dress up.” Das Kamerateam ist da. Die Redakteurin lächelt mich an: „Sie wussten doch gar nicht, dass wir heute kommen, Herr Mucha? Anzug, Krawatte? Gehen Sie immer so ins Büro?“ Meine Antwort lautet: „Ja.“
Genau darum geht es jetzt. Und ja, ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, meiner Freude darüber, dass ich wieder gesund aufgewacht bin, Ausdruck zu verleihen. Mein Glück zu fühlen, dass es kein verräterisches Kratzen im Hals gibt, dass meine Familie und unser Betrieb von Corona verschont geblieben sind. Und dass das ein neuer Tag ist, wir Arbeit haben und die Medien gut laufen. Den ich so angehe, wie ich das seit 45 Jahren halte: Gut gekleidet, rasiert und mit einem Lächeln im Gesicht. Ich habe vor, auch weiterhin aufrecht durch diese Zeit zu gehen. Man nennt das Haltung.
Natürlich überlegt man mit 66 Jahren immer wieder einmal, ob es nicht besser wäre – insbesondere in diesem Annus horribilis –,
den Hut draufzuhauen. Das gute Privatvermögen nicht coronabedingten schlechten Umsätzen in der Firma nachzuwerfen.
Schon vor einiger Zeit habe ich diesbezüglich eine Entscheidung getroffen: Ich werde nicht zulassen, dass jeder, der meinen Verlag auf Wikipedia googelt, zu dem Schluss kommt, dass uns nach 45 erfolgreichen Jahren just eine blöde Pandemie in die Knie gezwungen hat. Das lasse ich nicht zu. Da gehe ich durch. Justament. Deswegen werde ich wohl noch einige Jahre – vorausgesetzt, es erwischt uns nicht und Ekaterina und ich kommen da heil durch – dranhängen. 
Eine, die das genauso sieht, ist die Präsidentin der Salzburger Festspiele: Dr. Helga Rabl-Stadler. Ich kenne sie schon seit Jahrzehnten. Sie ist ein beeindruckender Charakter. Jemand, der mit seinem Charisma, seiner Persönlichkeit und seinem resoluten Auftreten – das freilich nicht aus Überheblichkeit resultiert, sondern aus der Kompetenz, die sie verströmt – jeden noch so großen Raum füllt. Mit Persönlichkeit, Empathie und dieser unbändigen Kraft, die jenes Fluidum versprüht, das andere motiviert, ermutigt, stützt, tröstet und antreibt, es ihr nachzumachen. 
Was für ein Leben: In eine erfolgreiche Unternehmerfamilie hineingeboren, erfährt sie erst mit 21, dass ihr leiblicher Vater der seinerzeit mächtigste Medien-Mann Österreichs, ORF-General Gerd Bacher, ist. Studium der Rechts-, Publizistik- und Politikwissenschaften. 1970 Promotion. Journalismus, Unternehmertum und Familie unter einen Hut gebracht. Räumlich vom Ex-Kurier-Herausgeber Peter Rabl getrennt, geschieden, aber doch in gutem Einvernehmen. Erfolgreiche Journalistin. Miteigentümerin des Modehauses Resmann, das sie – so beweist es das Testergebnis des größten heimischen Shopping-Guides – in lichte Höhen führt. Präsidentin der Salzburger Wirtschaftskammer. Abgeordnete zum Nationalrat, wo sie sich für flexible Arbeitszeiten, eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten und bessere steuerlich-rechtliche Bedingungen für Sponsoren einsetzt. Und schlussendlich Präsidentin der Salzburger Festspiele. Sie ist das Bindeglied zwischen Kultur und Wirtschaft. Eine brillante Verhandlerin. Unglaublich geschickt in Finanzierungsfragen, diplomatisch und doch sehr energisch, wenn es um die Umsetzung der Prinzipien geht. „Kunst muss anecken“, sagt sie. Und lässt doch der Kunst ihre Freiheit. 
Im Interview brilliert sie mit exzellentem Fachwissen. Da zeigt eine, dass sie absolut firm in Sachen Klassik, Oper und Inszenierungen ist. Immenses Wissen blitzt durch. Sie besticht durch Kompetenz und Fachkenntnis. Was sie im heurigen Jahr – Corona zum Trotz – aufgestellt hat, sucht seinesgleichen. Diese Frau geht aufrecht durchs Leben. Hat sich nicht – so wie viele Kulturmanager, die im geschützten Bereich sich gemütlich zurücklehnen und die Republik zahlen lassen (sicher die bequemste Variante) – aufs Abwarten eingestellt, sondern ist da durchgegangen. Und hat eine außergewöhnlich bemerkenswerte Leistung im heurigen Jahr hingelegt. Dafür erhält sie den FM Incomingpreis 2020. Und das Fest werden wir im nächsten Jahr nachholen. Versprochen. Ich darf Dr. Helga Rabl-Stadler namens der FM-Redaktion allerherzlichst gratulieren. Und Ihnen, geschätzte Leser, viel Freude bei der Lektüre einer außergewöhnlichen Ausgabe wünschen. 
Herzlichst 
Ihr
Christian W. Mucha 
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