Alles Logo oder was?

Wenn die Geschichte von A bis Z nicht so schräg wäre, dann könnte man sie eigentlich als Skandal bezeichnen: Denn mit ihren teils hanebüchenen Aktionen in Sachen neues ÖSV-Logo haben die Skiverbands-Macher gehörig eingefädelt. Doch unsere Touristiker sollten mit diesem internationalen Schandmal nicht leben müssen.
©ÖSV

Man soll sich, so lautet das elfte Gebot, tunlichst zurückhalten, wenn es um das Äußern der eigenen Meinung geht. Ganz besonders, wenn man weiß, dass das die Öffentlichkeit bewegt und Publizität auslöst. Mehr oder weniger berühmte Zeitgenossen wie Andreas Gabalier oder Felix Baumgartner halten sich nicht daran. Was sich nicht in jedem Fall als vorteilhaft erweist. Da spalten die Herausposaunisten die Gesellschaft und dürfen sich als Lohn ihrer Verbal-Exzesse täglich neu die Brösel der über sie hereinbrechenden Shitstorms vom Gewand putzen.

Aber manchmal gibt es Themen, da kannst du einfach nicht anders, als in die Tasten zu greifen. Als ich das ÖSV-Krixi-Kraxi-Logo erstmalig erblickte, glaubte ich, meinen Augen nicht zu trauen. „Was soll das?“ fragte ich mich. Eingedenk meiner oben geschilderten Zurückhaltung habe ich es mir auferlegt, mindestens 24 Stunden etwas sickern zu lassen, bevor ich meinen Senf dazugebe. Doch am nächsten Tag hatte sich mein Groll nur noch gesteigert. Nun ist es das eine, wenn einem etwas nicht gefällt, darüber herzuziehen, auf den sozialen Medien seiner Wut freien Lauf zu lassen (das sind dann die sogenannten Wut-Postings, und wer ist schon gerne ein Wüterich), oder die Sache konstruktiv anzugehen. Mein zweiter Gedanke zu der Causa war: Das können wir doch besser.

Wenn ich mich recht entsinne, war ich der Einzige, der bei der Deutschmatura das Thema „Gibt es einen positiven Patriotismus?“ mit Ja beantwortete. Meine Schulkollegen – selbst die Streber, die sich bei den Professoren einweiberln wollten – verneinten das glattweg. Ich war schon damals stolz auf meine Wurzeln und halte nicht hinter dem Berg, wenn es darum geht, im richtigen Moment zu Beginn eines Gespräches „I am from Austria“ zu sagen.

Austria und Skifahren sind eng verbunden. Das ist unsere Identität. Das ist die einzige Sportart, in der wir international vorne dabei sind. Wenn man von der letzten Saison einmal absieht. Wo der österreichische Skiverband auftaucht, da wird Werbung für unser Land gemacht. Und zeitlebens habe ich mich bemüht, mit unseren Reisezeitschriften, mit der Kommunikationszeitschrift  ExtraDienst und mit Elite zu zeigen, was wir Österreicher drauf haben. Wenn jetzt ein hilfloses Mikado-Machwerk aus neun Stäbchen unsere künftigen Helden bei ihren – hoffentlich noch kommenden – Erfolgen begleitet, dann graust mir redlich.

Freilich – diesmal wollte ich die Sache konstruktiv angehen. Nicht nur schimpfen, kritisieren, abqualifizieren. „Das können wir doch besser“, war der dritte Gedanke, der mir durch den Kopf schoss. Der dritte Gedanke ist, wie Sie wissen, immer besser als der erste. Und flugs gebar ich die Idee, dass wir die Kreativen, die Grafiker, die Künstler, die Designer, die Agenturen einladen, uns Logos zu entwickeln, die besser, schöner, eindrucksvoller, repräsentativer das widerspiegeln, wofür der österreichische Skisport steht. Von da bis zu einem entsprechenden Posting war es nur ein kleiner Schritt. Bis zur Übernahme durch diverse reichweitenstarke Medien ging es danach sehr schnell.

Und schon trudelten sie ein, die ersten Vorschläge. Unterschiedlichster Natur. Von der Strichzeichnung über Skibbels bis zu hochprofessionellen Design-Entwürfen. Über 100 Werke stellen wir Ihnen in diesem FM vor.

Zwischenzeitlich recherchierte ich die Causa. Rief die Marketingleiterin des Österreichischen Skiverbandes an. Christiane Gasser teilte mir bereitwillig mit, dass es keine Ausschreibung gegeben habe und dass man halt aus ein paar Agenturen dann Scholz & Friends ausgewählt hätte. Das – angeblich dafür berappte – Honorar von 130.000 Euro hat bis dato niemand bestätigt. Dementiert wurde es freilich auch nicht. Weder von der Agentur noch vom Skiverband. Die Marketingchefin – mitten in Besprechungen – versprach mir die umgehende Übersendung des Briefings. Darauf warte ich noch heute. Der Agenturchef von Scholz & Friends reagierte unwirsch, fauchte mich an, ich solle ihm gefälligst ein E-Mail schreiben, wenn ich etwas wolle, und legte grußlos auf. Beim zweiten Anruf war dann ein weiterer Zampano der Agentur ein wenig freundlicher zu mir. Mittlerweile hatte ich herausgefunden, dass der Österreichische Skiverband das Ganze – wie von der Marketingchefin geschildert – nicht ausschreiben muss. Unser Anwalt Georg Zanger erklärte mir, dass ein Verein – solange er nicht öffentlich-rechtlich ist – keine Limits für Ausschreibungen hat. Und solch einen fetten Auftrag (man hatte mir erläutert, dass es dazu einen einstimmigen Vorstandsbeschluss gegeben hatte) frei vergeben kann. Ansonsten wäre bei 80.000 Euro Schluss gewesen.

Inzwischen griffen auch diverse Medien dieses Thema auf. Hämisch berichtete man darüber, dass die ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober sich vor dem seitenverkehrten Logo hatte ablichten lassen und dass dies die offizielle Presseaussendung zierte (vielleicht hat sie’s ja nicht ganz verstanden – ich versteh’s auch nicht), und die Kommentare in den sozialen Netzwerken überpurzelten sich nur so vor Häme. Und während immer mehr Vorschläge bei uns eintrafen, gab es immer neue Informationen. Der Salzburger Grafiker Gerhard Kempf aus Seekirchen am Wallersee erzählte mir, dass es Ähnliches schon einmal gegeben hatte. Ich lud ihn ein, einen Gastkommentar dazu zu verfassen (siehe Seite 28). Wie man ein teures, unscheinbares Logo einkauft, den Shitstorm ignoriert und über die Sache Gras wachsen lässt. Ich nehme an, so wird auch diese Geschichte enden. Wir haben eh kaum mehr einen Schnee. Ist eh alles grün. Wächst eh Gras drüber…

Top-prominente Sportler teilten mein Facebook-Posting. Benjamin Karl, immerhin Olympia-Sieger 2022 in Peking, fünffacher Weltmeister und dreifacher Gesamtweltcup-Sieger, postete: „Bitte lesen und bestenfalls mitmachen.“ Der 63-fache ÖFB-Teamspieler Toni Pfeffer nahm das ÖSV-Logo aufs Korn und schrieb: „Der ÖSV macht meine Kindergartenzeichnung von 1970 zum neuen Logo.“ Ex-Niederösterreich-Skiverbands-Vize Christian Reiter, ein St. Pöltener Anwalt, der seine Verbandsfunktion vor mehr als einem Jahr zurückgelegt hat, meinte: „Das neue Logo des ÖSV – 2 Jahre soll es gedauert haben, bis man es gefunden hat. Die Frage muss erlaubt sein – seid ihr vollkommen verblödet?“ Und gegenüber der NÖN legte er nach: „Welche Leute sind da am Werk. Das ist ja geradezu grotesk. Ich will gar nicht wissen, was das Geld gekostet hat, das dann wo anders fehlt.“ Auch Michaela Dorfmeister, einer unserer Ski-Superstars, kritisiert das Logo. Und in einem Telefoninterview meinte Ex-ÖSV-Skipräsident Peter Schröcksnadel grinsend zu mir: „Ich bin jetzt nicht mehr Präsident vom Skiverband. Und will daher in der Öffentlichkeit nichts dazu sagen. Natürlich habe ich meine eigene Meinung. Aber Sie können ja an die Sache anders herangehen: Sie können davon ausgehen, dass, wenn mir das Logo gefallen hätte, ich mich dazu positiv geäußert hätte. Und es verteidigt hätte. Habe ich aber nicht. Wenn mir das Logo gefallen würde, dann hätte ich mich dazu ja geäußert.“

Ein Architektur-Generalplaner, die Firma Eder aus Bad Fischau, schickte uns diverse, durchaus spannende Logo-Vorschläge und ging so weit, eines  sogar registrieren zu lassen. Unter der Nummer 322660 wurde die entsprechende Wort-Bild-Marke geschützt.

Das Spannende daran, was beschreibt, wie hilflos die vom ÖSV hier agieren, ist, dass Eders Markeneintragung – wiewohl zu diesem Zeitpunkt schon ganz Österreich über die Causa diskutierte – genau einen Tag vor (!) dem Mikado-Logo des ÖSV vom Österreichischen Patentamt bestätigt wurde. Da legst di nieder.

Nick Eder, der Einreicher, verriet mir telefonisch, dass er bass erstaunt war, dass man als Architekturbüro so mir nichts, dir nichts ein Ski Austria-Logo beim Patentamt schützen lassen kann. Für wohlfeile 270 Euro. Er grinste am Telefon: „Das war’s uns wert!“

Nun muss man freilich eines klar sagen, und das sei zur Ehrenrettung von Scholz & Friends an dieser Stelle deutlich ausgesprochen: Eine Beauftragung einer Agentur zu solch einem Thema umfasst natürlich weit mehr als nur eine Wort-Bild-Marke. Da geht’s um Corporate Identity, um Corporate Design, um eine Marketing-Strategie, um einen Auftritt, um innere und äußere strategische Entwicklungen, um die Positionierung eines Unternehmens. Das Logo, das Signet, die Marke sind natürlich nur die Spitze des Eisberges. Die Arbeit, die darunter liegt, umfasst weit mehr. Und all dies konnten unsere Einreicher natürlich nicht berücksichtigen, weil sich der Skiverband zierte, uns das Briefing zu übersenden. Trotz alledem: Ich bin der Meinung, dass ein Logo vor allem eines muss: Es sollte jenen, die es sehen, gefallen. Gefällig sein. Sympathisch, einprägsam, ansprechend, klar. Und es sollte die Botschaft, die es transportiert, elegant übermitteln. In den ÖSV-Statements gegenüber den Medien kam dann heraus, dass die neun Mikadostäbchen die neun Bundesländer symbolisieren, dass das Ganze ein A wie Austria ergibt und damit gut zur neuen Identität als Ski Austria passt. Ich finde halt nur blöd, dass etwas erst dann verständlich wird, wenn es ausführlich erklärt wird. Denn ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Und wenn etwas tausend Worte braucht, um erläutert zu werden, dann kann es nicht gut sein. So einfach ist das.

Die verrückteste Pointe freilich habe ich mir für den letzten Teil meines Leitartikels aufgehoben: Wiewohl ich mir das – medial – auf meine Federn geschrieben habe, stammt die Idee von unserem Lektor Martin Krake: Der hatte den glänzenden Einfall, auf der Webpage Midjourney (er hat dort ein Abonnement) der Künstlichen Intelligenz den Auftrag zu erteilen „Design a logo for Austrian Ski Association Ski Austria“. Acht Vorschläge spuckte die App aus. Vier davon durchaus brauchbar. Zwar ein wenig retro, aber meiner Meinung nach noch allemal besser als das Sushi-Sujet. Halt, da fällt mir noch ein, wie erbärmlich die Sub-Logos von Scholz & Friends daher kommen: Denn dem Behindertensport (das ist ein Thema, bei dem man wahrhaftig sorgfältig sein sollte) haben die allen Ernstes aus drei Stäbchen eine Krücke gebastelt. Doch nun zur Pointe der KI-Story: Die vier – durchaus brauchbaren – Vorschläge haben 10 Euro gekostet. Für ein Abonnement, das man jederzeit aufkündigen kann. Ein bisserl weniger, so meine ich, als die 130.000 Flocken, die man angeblich dafür vonseiten des Skiverbandes verpulvert und in den Schnee gesetzt hat.

Auf unserer Webpage www.fm-online.at finden Sie, nach einer Vorjurierung durch unsere Redaktion, jene Top-Logos, die es auf die Shortlist geschafft haben. Darüber werden wir in den nächsten Tagen die FM-Community abstimmen lassen. Ein Drittel des Stimmengewichts entfällt dann auf Sie, geschätze FM-LeserInnen. Zwei Drittel der Stimmrechte entfallen auf eine Expertenjury, die danach das beste Sujet küren wird. Und dann schlage ich vor, dass die Medien ihre Leser abstimmen lassen, was denn besser gefällt: Das von den Einsendern an uns übersandte Sieger-Sujet oder die Mikado-Lösung von Ski Austria. Ob die danach mit der Gras-Wachs-Methode wegkommen? Mal sehen, meint

Ihr

Christian W. Mucha

Herausgeber

P.S.: Das Ganze sei eine erbärmliche Gratis-Präsentation. Und man solle doch nicht zulassen, dass eine Agentur vorgeführt werde. Ein heimischer Verein von Creativen (das sind die, wo die Vorstandsmitglieder im alljährlichen Handbuch meistens den Löwenanteil der Preise sich gegenseitig zuschanzen) widmete unserer Initiative sogar eine eigene Aussendung. Wo allen handelnden Personen dringend nahegelegt wurde, bei unserer Aktion nur ja nicht mitzumachen. Irgendwie hat das aber die „Beschmutzt doch das eigene Nest nicht“-Partie nicht geschafft, wie die Fülle und der Ideenreichtum der in diesem Heft dargestellten Logos beweist. Ich verstehe nicht, warum man von Gratispräsentation spricht, wenn Grafiker, Designer, Agenturen, CI-Spezialisten, aber auch Krethi und Plethi zum Stift greifen und etwas deshalb kostenfrei kreieren, weil es ihnen ein Herzensanliegen ist.

Und damit die Sache sich für den Sieger auch rentiert, gibt’s eine Reihe von Goodies für jenen, der das Siegerlogo entworfen hat: Die Firma Merbag stellt einen Top-Mercedes für einen Monat zur Verfügung. Ich danke deren Geschäftsführer, Martin Heger, allerherzlichst dafür. Von Maurice Lacroix gibt’s eine wunderbare Uhr. Danke den Geschäftsführern, Nathan Wildpacher und Gernot Safron. Magister Rudi Brenner von philoro steuert einen kleinen Goldbarren bei. Uschi Simacek vom gleichnamigen Reinigungs-Giganten hat uns einen Gutschein über 1500 Euro für eine Generalreinigung gegeben. Und aus meiner Tasche gibt’s einen Tausender in Barem, der für ein Festmahl dienen mag, wo man dann feiern kann, dass man ein schönes Logo gefunden hat… Ihnen allen danke ich allerherzlichst für Ihr Engagement und dafür, dass Sie so tatkräftig bei unserer Aktion mitmachen. Weil Skifahren das Leiwandste ist, was man si nur vurstellen kann. Und das Zweitleiwandste Ihre Beteiligung.

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